Das Samstagtreffen mit dem Regisseur im Rahmen des "Kinounterrichts mit dem Meister" des 16. MFF T-Mobile Nowe Horyzonty dauerte zwei Stunden. Der Regisseur war in der besten Laune, obwohl er sich mit den Kinofans um 16.00 Uhr getroffen hat, d.h. während der Siesta, "in der schlimmsten Zeit für einen Spanier" – wie er feststellte. Das Gespräch mit ihm führte Agnieszka Drewno, Produzentin und Filmregisseurin.
Leidenschaftlicher Fotograf
Saura sprach von seinen künstlerischen Anfängen: - „Ich war schon immer ein leidenschaftlicher Fotograf. Mein erstes Foto machte ich im Alter von sechs oder sieben Jahren einem Mädchen, in das ich verliebt war. Ich schoss es heimlich. Das Fotografieren hat mich ständig begleitet, es war in meinem Leben immer präsent.“
Saura hat eine riesige Sammlung von Fotoapparaten. Es sind 700. – „Ich bin von allen Seiten von ihnen umgeben, ich weiß gar nicht, was ich damit anfangen soll“ – lachte er. – „Früher genoss die Arbeit eines Fotografen mehr Ansehen, ich bin natürlich für Technologien, die die Arbeit erleichtern, doch wenn man diese Leichtigkeit bekommt, verliert man etwas anderes. Die Magie der Fotografie geht verloren, früher hatte ein Fotograf seine Berufsgeheimnisse, die er nur in der Dunkelkammer preisgab. Heute kann jeder ein wunderbares Foto machen. Früher wurde weniger Fotos gemacht, doch sie konnten Erinnerungen festhalten und waren gut.“.
Er wusste nicht, was er werden soll
- “Mit 17-18 Jahren ist es normal, dass man nicht weiß, was man später im Leben machen möchte“ – erinnerte er sich. Er wollte Journalist oder Flamencotänzer werden, bzw. Motoren entwerfen. Traumatische Erinnerungen hinterließ bei ihm der Wehrdienst, der ganze zwei Jahre gedauert hat. Als dieser vorbei war, genoss er erstmal die Freiheit. Antonio, sein Bruder, der Maler war, überredete ihn, sich mit dem Film zu beschäftigen. Zuerst machte er Dokumente: - „Es gefiel mir, dass ich von niemandem abhängig war, doch ich wollte Geschichten erzählen und obwohl ich schreckliche Angst hatte, beschloss ich, es zu versuchen. Sein erster Film, der noch in der Schule entstand, war "Los golfos". – „Niemand machte ein solches Kino“ - erinnerte er sich. Er hätte wahrscheinlich mit dem Film aufgehört, wenn die Franco-Zensur ihn zerschnitten hätte, doch er schaffte bis nach Cannes, ohne zensiert zu werden. Für den nächsten Film, "Die Jagd", lieh er sich Geld von seinem Vater. – „Ich wollte einen ruhigen Film machen, bei dem ich keine Schwierigkeiten mit der Zensur bekomme. Die ersten Kritiker, die ihn sahen, sagten: "Carlos, dieser Film ist Scheiße". Ich war überzeugt, dass meine Karriere zu Ende war, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Und dann wurde "Die Jagd" in Berlin zu einem Erfolg.“.
Chaplin und "Peppermint frappe"
In dem Film "Peppermint frappe" spielt seine damalige Partnerin Geraldine Chaplin, die Tochter des berühmten Charlie Chaplins. – „Die Zeitungen schrieben, dass Geraldine mit einem spanischen Playboy zusammenlebt“ – lachte er. – „Als Charlie "Peppermint frappe" gesehen hatte, sagte es das Netteste, was ich bisher gehört habe, was ich allerdings für stark übertrieben halte. Er meinte, dies sei der beste Film, den er je gesehen hat.“
Er sprach auch von dem Film, der von den 33 Tagen handeln soll, in denen Pablo Picasso "Guernika" malte. Die Hauptrolle soll Antonio Banderas spielen, die Dreharbeiten sind für nächstes Jahr geplant. – „Der spanische Krieg war klein, doch sehr grausam, denn es kämpften Brüder gegeneinander, Familien und Freunde wurden auseinandergerissen. "Guernika" zeigt, dass der Krieg überall schrecklich ist. Die Faschisten bombardierten Guernika an einem Markttag – es starben unschuldige Menschen, Kinder, Tiere. Ich möchte diesen Film so gerne drehen, um über die Absurdität des Krieges zu erzählen“- bemerkte er.
Das erste Drehbuch und ein unvergessliches Lied
- “Ich wäre heute ein Millionär, wenn ich die Rechte an dem Song von Jeanette "Por que te vas?" gekauft hätte, dieses Lied verfolgt mich, ich höre es in jedem Land, das ich besuche“ – gibt er zu. – „Niemand von der Crew im "Züchte Raben" fand es schön. Der Song gefiel weder dem Produzenten, noch Geraldine Chaplin oder den Mädchen, die im Film spielten. Nur ich wollte ihn unbedingt haben.“ " Züchte Raben" war für Saura das Debüt als Drehbuchautor. – „Ich fühlte mich auf keinen Fall wie ein Schriftsteller, mir war bewusst, dass ich ein sehr großes Risiko eingehe“ - erinnerte er sich.
Tanz und Musik
Die Mutter von Carlos Saura war Pianistin, doch Carlos hat niemals gelernt, ein Instrument zu spielen. Die Mutter wollte es nicht, dass eines ihrer Kinder Berufsmusiker wird. – „Ich habe allerdings ein absolutes Gehör, obwohl ich weder Musiker noch Tänzer bin“- sagte Saura. – „Es hat mich immer interessiert, wie entsteht ein Werk wie z. B. "Carmen".“ – „Ich wollte schon immer weiter gehen, verstehen, weitere Verbindungen finden, deshalb komme ich in meinem Film "Fado" sogar bis zum brasilianischen Rapp...“
Sein neuster Film, dessen Uraufführung beim 16. MFF T-Mobile Nowe Horyzonty zu sehen ist, "Argentinien, Argentinien", erzählt eben über die Musik, die man in diesem Land hören kann und es handelt sich dabei nicht ausschließlich um den Tango. Sauras weiterer Film, der sich in der Postproduktion befindet, "La jota", ist dem argentinischen Tanz Jota gewidmet, der mit Kastagnetten getanzt wird.
Jeder Meister des europäischen Kinos zeigt auf dem Festival zwei eigene Filme und einen europäischen Film, den er für herausragend hält. Saura entschied sich für den "Pianisten" von Polański. – „Ich verstehe eure Verwunderung nicht, dass ich ausgerechnet diesen Film gewählt habe. Habt ihr etwas gegen Polański? Es ist ein schöner, eleganter und zierlicher Film, der mit viel Liebe für Polen gemacht wurde. Sein einziger Nachteil ist, dass er nicht auf Polnisch gedreht wurde“.
Der Regisseur beantwortete auch die Fragen des Publikums. – „Warum fragt ihr mich nicht nach meinen Ehefrauen, Geliebten, Kindern. Ich habe sieben – sechs Jungs und eine Tochter, Ana, die mich hier begleitet“ – ermunterte er.- „Ich sehe mir ungern meine eigenen Filme an“- gab er zu. – „Die Zeit vergeht und man sieht das, was man früher gemacht hat, aus einer anderen Perspektive“ – erklärte er. – Ich mag Katastrophenfilme, ich sehe sie mir mit Ana zusammen. Am liebsten sehe ich mir die Filme alleine an, bei mir Zuhause, vom Projektor. Dann kann ich mich konzentrieren und die Magie des Kinos spüren.
Weitere Treffen im Rahmen des "Kinounterrichts mit den Meistern"
Passage Pokoyhof, ul. św. Antoniego, Eintritt frei
- 28.07.2016, 16.00 Uhr - Victor Erice (Vorführung eines bereits aufgenommenen Interviews)
- 29.07.2016, 16.00 Uhr - Andriej Konczałowski
- 30.07.2016, 16.00 Uhr - Petr Zelenka
- 31.07.2016, 16.00 Uhr - Agnieszka Holland